Während der vergangenen Jahre stiegen die Immobilienpreise massiv an und blieben hoch, während die Kapitalmarktzinsen niedrig sind. Mit Corona stellt sich die akute Frage, ob die Preise weiter steigen werden und wo die Reise insgesamt hingehen wird. Zu beobachten ist, dass die Inflationsrate steigt. Wir fragen daher den Experten und Finanzökonomen Prof. Dr. Markus Knüfermann von der Immobilienhochschule EBZ Business School, wie es um den Zinsmarkt und die Gefahr einer Immobilienpreisblase steht, oder anders rum, sollte man heute noch eine Immobilie bauen oder kaufen?
GSF: Herr Prof. Knüfermann, wie man aktuell verfolgen kann, besitzt die momentane Inflationsrate eine steigende Tendenz. Woher kommt diese Entwicklung ihrer Meinung nach und welche Folgen bringt die steigende Inflation mit sich?
Prof. Knüfermann: Grundsätzlich entsteht Inflation ausschließlich durch höhere Geldmengenwachstumsraten gegenüber den Wachstumsraten des realen Bruttoinlandsprodukts. Damit sind die hohen Inflationsraten in diesem Jahr 2021 durch den Anstieg der Geldmenge M3 schon aus dem Jahr 2020 geprägt. In Deutschland stieg die Geldmenge M3 von unter 6 % bis zum Jahr 2019 auf fast 10 % in den Jahren 2020 und 2021. Der plötzliche Anstieg im Juli 2021 auf 3,1 % ist aber auch statistisch-methodischer Natur. Gemessen wird Inflation nämlich als Veränderung der Preise von Güter und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs gegenüber dem Vorjahr. Im Juli 2020 wurde die Mehrwertsteuer (MwSt.) bis zum Jahresende um 3 %-Punkte gesenkt. Selbst wenn sich die Preise im Juni und Juli 2021 nicht verändert hätten, gäbe es einen Preisanstiegseffekt im Vergleich zum Vorjahr. Im Juni 2020 und 2021 wurde noch dieselbe MwSt. berechnet. Die Bruttopreise im Juli 2021 wurden im Vergleich zu jenen des Jahres 2020 mit 3 %-Punkten MwSt. mehr berechnet. Somit stiegen die Preise im Juli nicht um 3,1 % an, sondern nur im Vergleich zum Vorjahr. Aktuell versteckt sich die Politik hinter dieser Methodik. Aber wenn sie der Hauptgrund für die höhere Inflationsrate in Juli 2021 gewesen wäre, hätten die Preise im August 2021 nicht noch stärker um 3,4 % steigen können.
GSF: Im Hinblick auf unseren unternehmerischen Schwerpunkt — die Immobilienbranche— interessiert uns insbesondere der Immobilienaspekt. Inwiefern kann sich die aktuelle Inflation auf die Wohnungswirtschaft auswirken?
Prof. Knüfermann: Inflation verändert Preise nur auf Nominalniveau. Insofern werden Inflationsraten in Preissetzungen der Wirtschaft transformiert. Für die Wohnungswirtschaft sind die Auswirkungen vielfältig. An zwei Beispielen mache ich sie deutlich: (1) Kostenpreise (z. B. Baumaterialien) verändern sich schneller als Ertragspreise (Mieten). Denn Mieterhöhungen sind in Deutschland sehr stark reguliert. Im Ergebnis reduzieren sich Jahresüberschüsse, weil die Inflationsraten eben nicht vollständig überwälzt werden können. (2) Auf der Mieterseite verändern sich Löhne, Gehälter und Renten ebenfalls langsamer als die Verbraucherpreise, so dass die Realeinkommen der Mieter sinken. Haben signifikante Inflationsraten dauerhaft Bestand, verarmt diese Mieterklientel. Bleiben die Inflationsraten gepaart mit dem Nullzinsniveau bei Sparprodukten, werden diesen Mieter*innen auch noch die Möglichkeit genommen, für das Alter, die Kinder etc. zu sparen. Dagegen bleiben einkommensstarke Haushalte mittels Diversifizierung der Vermögensanlage dazu in der Lage. Die Konsequenz wird eine stärkere Ungleichverteilung von Einkommen sein und damit nochmals Altersarmut in Bevölkerungsanteilen mit geringen Einkommen.
GSF: Führt die Preisentwicklung von Wohnimmobilien in Deutschland zu Preisblaseneffekten? Wenn ja, welchen Effekte haben diese und wie werden sich die Wohnimmobilien im Verhältnis zu anderen Anlageformen entwicklen?
Prof. Knüfermann: Zur ersten Frage: Hier möchte ich „Führt“ durch „Führte“ tauschen. Preisblaseneffekte haben sich nämlich bereits eingestellt. Denn hier sprechen Sie Ergebnisse meiner aktuellen Preisstudie an, die just veröffentlicht wurde. Darin werden Preisblaseneffekte für Wohnimmobilien im Zeitfenster 2015 bis 2020 deutlich. Auf einer Bundesbank-Datenbasis liefern Preisentwicklungsvergleiche für Wohnimmobilien höhere Preisanstiege als für Wertpapiere mit ähnlichen Ertrag/Risiko-Profilen. Im Zeitfenster 2004 bis 2008 war es genau umgekehrt. In allen drei Zweitfenster, also inklusive der dazwischen liegenden Jahre, war das Geldmengenwachstum mit 4 % bis 6 % relativ stabil, wenngleich es ab dem Jahr 2020 massiv auf fast 10 % angestiegen ist, wie ich zuvor schon anführte. Nominale Preise entwickeln sich somit von den Fundamentalwerten weg. Die Auswirkungen sind wiederum facettenreich: So bewerten Kreditinstitute in Preisblasenphasen Immobilien zu geringeren Werten, als Verkehrswerte suggerieren. In der Konsequenz wird z. B. mehr Eigenkapital zur Finanzierung benötigt. Alternativ können Immobilieninvestoren ihre Finanzierungspartner um Nicht-Banken verbreitern, wie Versicherungen, Pensionskassen, Versorgungswerke etc., und damit auch ihre Finanzierungsinstrumente. Bilaterale Bankdarlehen und Sparkassendarlehen lassen sich z. B. durch Schuldscheine und Anleihen ersetzen.
GSF: Zu guter Letzt möchte ich mit Ihnen, Herr Prof. Knüfermann, auf die Zinsentwicklung eingehen. Zinsen sind für uns im Finanzierungsbereich immer von Relevanz. In welche Richtung bewegt sich die aktuelle Zinsentwicklung? Können Sie uns einen Tipp für die Finanzierung des Eigenheims oder eines Bauprojekts geben?
Prof. Knüfermann : Nach der Inflationslogik müsste das Zinsniveau steigen, aber es ist aktuell gesunken. Der Grund liegt in den Anleihekaufprogrammen des Eurosystems. Eine solche expansive Geldpolitik treibt die Geldmenge und damit das Marktpreisniveau in die Höhe. Auf Grund der aktuellen Überliquidität in den Märkten können Kreditinstitute die höheren Nominalzinssätze nicht in die eigenen Kreditpreise überwälzen. Ein Anstieg des Marktzinsniveaus ist nur bei einer veränderten Geldpolitik im Eurosystem zu erwarten. Notwendig wird sie bei nachhaltiger Inflation. Doch inzwischen ist es fraglich, ob sich die Zentralbanken im Eurosystem daran halten werden. Schließlich betreibt das Eurosystem derzeit nicht legitimierte Fiskalpolitik für ausgewählte Euro-Staaten mit extremer Staatsverschuldung. Wenn diese Erwartungshaltung an das Eurosystem richtig ist und eintreffen wird, bleiben die Zinssätze wohl noch sehr lange niedrig. Aus Sicht der deutsche Volkswirtschaft bzw. eines Volkswirts sind diese Aussichten grauenhaft und werden verteilungspolitisch weiterhin sehr unsozial wirken.
Zur Person
Prof. Dr. Markus Knüfermann ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der EBZ-Business School – University of Applied Sciences in Bochum und zusätzlich Stiftungsprofessor norddeutsche Wohnungswirtschaft am Studienzentraum der Immobilienhochschule in Hamburg. Gemeinsam mit dem Geschäftsführer der Walter Grundwerte GmbH Felix Walter veröffentlichte er in der Septemberauflage des Fachmagazins Immobilien & Finanzierung einen Artikel über mögliche Preisblaseneffekte auf den deutschen Wohnimmobilienmärkten. Anfang September 2021 erschien die zweite Auflage seines Lehrbuchs über „Wirtschaftspolitisches Wissen für die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft im etablierten Wissenschaftsverlag Springer Gabler (erhältlich in jedem Buchhandel):
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