Wir sind in der besinnlichen Weihnachtszeit und zugleich in einer der anstrengendsten Phasen des Jahres. Welch ein Widerspruch, den wir seit Jahrzehnten im Berufsleben durchmachen. Da ich wieder einmal keine Weihnachtspost versandt habe - ich bewundere jede und jeden, die/der das schafft - nutze ich doch etwas Zeit, um ein paar Gedanken zur GenZ zu formulieren, mich dazu "zu besinnen".
Die neueste Trendstudie "Jugend in Deutschland 2023" mit Generationenvergleich von Jugendforscher Simon Schnetzer untersucht Vorurteile um die GenZ. Im Focus-Interview räumt er mit Sichtweisen von Unternehmen auf und ordnet die Erkenntnisse ein. Im Gegensatz zu manchen Unternehmen hat die GSF sehr gute Erfahrungen mit der 'neuen' Generation gemacht, ohne sie, würde es uns kaum geben.
Faul, egoistisch, geldgierig, nicht resilient und andere Zuschreibungen sind zur GenZ zu hören und stigmatisieren so eine ganze Generation. Schnetzer beweist mit seiner Umfrage ganz anderes und regt an, wie es bei so vielen Dingen hilfreich ist, die Perspektive zu ändern. Häufig seien Feedbacks von Führungskräften zu langsam, Geld bietet in unsicheren Zeiten gerade auch Sicherheit und Verbindlichkeiten müssen zur Dynamik des Lebens passen und kein Korsett bilden, aus dem unter keinen Umständen ausgebrochen werden kann.
Statt die Einstellungen der GenZ zum Thema Arbeit zu kritisieren, bewundere ich Teile des Verhaltens: Bei ihnen widersprechen sich Loyalität zur und Abgrenzung vom Arbeitgeber oft gar nicht, sie vereinen zeitliches Engagement für die Firma und verstehen gleichzeitig das Leben als Ganzes, welches eben nicht nur aus Arbeit besteht. Zugleich sehe ich in dieser Generation eine größere Sensibilität, die sie jedoch nicht davon abhält, in einer zunehmend härteren Welt 'durchzukommen' und sich zu beweisen. Wären wir 'Babyboomer und GenX' nicht manchmal auch gern so? Mussten wir (vielleicht zu) oft das Yin vom Yang des Lebens und Verhaltens trennen, obwohl es zusammenhängt? Mir bringt die Zusammenarbeit mit der neuen Generation des Arbeitsmarktes Freude. Ich kann hierdurch viel über mich selbst auch lernen - der Perspektivwechsel macht es möglich.
Ohne mein junges Team würde die GSF als 'Startup mit Tradition' nicht funktionieren (ich bin die 'Tradition' in diesem Konstrukt). Ohne die Begeisterungsfähigkeit und Sensibilität von Studierenden aus meiner Lehrtätigkeit an der Hochschule hätte ich manchmal weniger Motivation, selbst als Unternehmer die Entwicklungen zu verstehen. Ich könnte mich ärgern, dass heute kein Student und keine Studentin im Hörsaal bei der Vorlesung war. Oder, was ich lieber mache, ich kann die Dynamik des Lebens verstehen: Eine Studentin schrieb mir auf WhatsApp, dass es ihr Leid tue, aber ein Drittel versacke gerade auf Arbeit im Jahresendspurt, ein Drittel sei krank und das letzte Drittel scheine wohl schon in den Weihnachtsvorbereitung mit all dem dazugehörigen Alltags-Stress zu stecken. Ist das Missachtung? Nein. Auch im Hörsaal sind wir heutzutage eher ein Team, als ein hierarchisches System. Warum habe ich eigentlich vorher nicht mal gefragt? Ich selbst bin zeitlich abgebuddelt und war froh um die gewonnene Zeit. Und wie ich die Studierenden kenne, bin ich mir sicher, dass wir uns im Januar wiedersehen und uns aufeinander freuen. Ganz so, wie es mit meinen Kolleginnen in der GSF ist.
Die eine Kollegin bei der GSF hat diese Woche vor Weihnachten noch Stress, braucht etwas Freiraum - möchte aber unbedingt am Freitag und Samstag noch ihre Arbeit erledigen. Auf die Frage, ob ein Tag vor Heiligabend das denn ginge, war sie pragmatisch, sie müsse eh bis dahin alles geklärt haben und dann könne sie doch noch was tun. Und die andere GenZ Vertreterin? Freut sich auch über ihren Teilzeitvertrag und meint, die Weihnachtswoche muss nicht frei sein, die Flexibilität habe sie durch das Arbeiten von Zuhause ohnehin, da erledigt sie gerne die Aktualisierung der Website. Oder auch: ein Student hätte so gern für uns gearbeitet, Startup, Nachhaltigkeit, Flexibilität und Inspiration würde er gern bei uns leben. Wir können leider nicht so viel zahlen, ihm war es etwas peinlich. Grund: er finanziert privat sein Masterstudium an einer privaten Hochschule. Aber wir schauen noch, ob nicht doch noch in den Sommerferien was geht, da würde er gerne mehr arbeiten.
Es gibt schon Unterschiede zwischen den Generationen. Dennoch: es lohnt sich für das Unternehmen und für die menschliche Seite, offen füreinander zu sein und hinzuhören, ehrliches Interesse zu haben. Vom Produktionsfaktor zum Faktor Mensch tut uns allen gut. Ebenso wie wir zur GenZ unsere Einstellung und Sichtweise ändern müssen, hoffe ich auch auf mehr Verständnis für 'alte weiße Männer'. Auch ein Thema sehr interessantes Thema, aber vielleicht eher für Weihnachten 2024.
Ich bin stolz auf mein Team und die Studierenden und froh, dass wir von- und vor allem auch miteinander lernen und gemeinsam die Herausforderungen annehmen. Dies spüren wir auch auf unserer Weihnachtsfeier, die die Jüngste in der Runde organisierte, mit Unterstützung von mir. Was schrieb eine Kollegin: "Ich habe den Abend sehr genossen und ich fand es wirklich schön zu sehen, wie es sich nach 'Team' anfühlte, obwohl wir in der Konstellation ja noch nie zusammengesessen haben." (Anmerkung: wir arbeiten fast nur remote - noch ein Thema, vielleicht für einen Osterkommentar).
Ich blicke mit Zuversicht ins neue Jahr und wünsche Kund:innen, Geschäftsfreund:innen, der 'Community' und meinen Kolleg:innen und den Studierenden eine wundervolle Weihnachtszeit und einen glücklichen Jahreswechsel.
Ihr/Euer
Roland Keich
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