Herausforderung ESG: Chancen, Risiken & der Blick in die Zukunft für Finanzierer & Immobilienwirtschaft
- GSF Team
- vor 4 Stunden
- 4 Min. Lesezeit
Seit 2018 befassen wir uns als GSF mit der EU-Taxonomie als Klassifizierungssystem für Nachhaltigkeit. Wir finden es gut, dass europaweit einheitlich eine Nachhaltigkeitsdefinition für Wirtschaftstätigkeiten entwickelt wurde. Wir haben 2022 einen EU-Taxonomie-Check für den GdW / NaWoh entwickelt, der eine Konformitätsprüfung und -bestätigung bei Wohnungsneubauprojekten ermöglicht. Aktuell gibt es den politischen Willen, aufgrund von Komplexitätsproblemen für Unternehmen bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung, auch die EU-Taxonomie-Verordnung anzupassen. Hier wird pauschal die Berichterstattung und der Nutzen bei Immobilienprojekten vermischt und negativ stigmatisiert.
Dass dies differenzierter ist, bestätigte sich auf der Veranstaltung von der DKB-Bank mit Unterstützung vom Immobilienverband BFW Nord am 01.04.2025 im Hotel Gastwerk, einer bemerkenswerten Location im Industrial Look einer umgebauten alten Fabrik in Hamburg-Bahrenfeld. Vom GSF-Team waren Roland Keich, Barbara Freriks und Melina Schneider anwesend. In den Vorträgen und Diskussionen zeigte sich, dass die Taxonomie da ist, um zu bleiben. Sie bleibt im Finanzierungsbereich von zentraler Bedeutung, da ihre Verifikation als Nachweis für Nachhaltigkeit gilt und somit auch künftig für Unternehmen eine wesentliche Rolle spielen wird

Ein paar Highlights aus den Vorträgen zum Stand und zu Perspektiven:
Dr. Andreas Gruber (Chief Sustainability Officer der Deutschen Kreditbank AG) erklärte, dass ESG keine freiwillige Entscheidung mehr sei, sondern eine Pflicht. Auch die Banken müssten ESG-Risiken mit einbeziehen und neue Finanzprodukte entwickeln, die die Nachhaltigkeitsziele unterstützen. Die Transformation von Bestandsimmobilien hin zu nachhaltigen Gebäuden stellen gesellschaftlich eine enorme finanzielle Herausforderung dar, die jährlich etwa 180 Milliarden Euro kosten würde. Sanierungen im Bestand seien notwendig, um die Klimaziele zu erreichen, auch wenn sie teilweise mit einem hohen Aufwand verbunden seien. Hinzu komme, dass zunehmend Geokoordinaten genutzt würden, um Standorte auf Starkwetter-ereignisse zu überprüfen, was die Bedeutung von Klimarisikoanalysen verstärkt. Dr. Gruber betonte, dass es wichtig sei, transitorische sowie physische ESG-Risiken mit in Kredit- und Anlagegeschäfte einzubeziehen, um die Resilienz von Banken zu stärken. Er geht davon aus, dass zukünftig neue Finanzprodukte mit stärkerem ESG-Charakter entwickelt werden.
Thomas Rolf Hermes (Managing Director für Innovation & ESG bei FRANK Immobilien und Lebensformate GmbH) betonte aus Sicht eines Immobilienunternehmens, dass ESG eine dauerhafte Herausforderung bleibe – kein Sprint, sondern ein Marathon. Die Regulatorik müsse weiterentwickelt werden, um praktikabler zu sein. Im Bereich der Bestandsbewirt-schaftung würden mit der Zeit zunehmende Abschläge auf die Immobilienwerte drohen, weshalb ein klarer Sanierungsfahrplan für jedes Gebäude notwendig sei. Das Heizungs-energieregulierungsgesetz (GEG) würde aus seiner Sicht zwar Änderungen erfahren, aber nicht abgeschafft. Hinsichtlich der CO₂-Bepreisung stelle sich die Frage, wie sich diese unter der neuen Regierung entwickeln würde. Er geht davon aus, dass die Netz-entgelte weiter steigen, bei gleichzeitig vermehrter Nutzung von Wärmepumpen. Auch sei Fernwärme aktuell teurer als Gas. Nachhaltigkeit müsse für alle finanzierbar bleiben, weshalb politisch hierzu Handlungsbedarf bestünde. Zugleich sei entscheidend,
langfristiges Denken und Unternehmensstrategie sowie die Entwicklung individueller Sanierungsstrategien für einzelne Objekte übereinzubringen, um den ESG-Anforderungen vom Investoren- und Bankenmarkt gerecht zu werden.
Jan-Tobias Büll (Leiter der Standorte Kiel, Hamburg und Schwerin bei der Deutschen Kreditbank AG) sprach über das Thema ESG-Pricing und stellte fest, dass ESG-Aspekte derzeit nur einen geringen Einfluss auf die Kreditkonditionen haben – aktuell im Bereich von etwa 5 bis 10 Basispunkten. Dies wird sich zunehmend ändern, wenn ESG in die Rating- und Pricing-System Einzug nimmt. Entscheidender sei aktuell die Immobilien-bewertung, hierzu wirkt sich die Lage und die Zukunftsfähigkeit der Immobilie mit Blick auf die Dekarbonisierungskosten und den Klimawandel sowie die Klimaresilienz aus. Außerdem
fordern Banken verstärkt Dekabornisierungspfade bei Gebäudeenergieklassen schlechter E oder F, um künftig die Immobilien finanzieren zu können.
Dr. Christine Lemaitre (Geschäftsführende Vorständin der DGNB e.V.) betonte, dass ESG-Standards und Transparenz zunehmend an Bedeutung gewinnen würden, auch wenn sie im Immobilienmarkt noch ungewohnt seien und mit dem Omnisbus-Verfahren der EU zur Erleichterung der Nachhaltigkeitsberichterstattung aktuell Irritationen und Neuorien-tierungen entstünden. Die Regulierungen und Ziele – etwa die der EU-Taxonomie – würden dennoch ein gemeinsames Anliegen verfolgen: Qualität und Beständigkeit durch eine ganzheitliche Lebenszyklusbetrachtung statt kurzfristiger Lösungen. Die Anfor- derungen seien dynamisch – ein Paradigmenwechsel hin zur Lebenszyklusorientierung daher unabdingbar. Frau Lemaitre hob hervor, dass ein nachhaltiger Neubau mit DGNB-Zertifizierung in Platin nicht zwangsläufig teurer sei als eine Sanierung im Bestand, die mit Gold oder Silber zertifiziert werde. Zielkonflikte müssten transparent gemacht werden – statt Perfektion solle ein robustes Optimum angestrebt werden. Außerdem sei zu beachten, dass Klimageräte für bis zu 30 % der CO₂-Emissionen von Unternehmen verantwortlich seien. Während der Heizbedarf sinke, nehme der Kühlbedarf deutlich zu – eine Entwicklung, die in der Gebäudeplanung stärker berücksichtigt werden müsse. Generell betonte Frau Lemaitre, dass nicht jedes Immobilienprojekt hoch anspruchsvoll sein muss – wofür die Zertifizierungen gedacht sein -, sondern die Projekte oberhalb der gesetzlichen Anforderungen und unterhalb der Zertifizierungsanforderungen einen Nachhaltigkeits-nachweis mit einer EU-Taxonomieverifikation erhalten können. Hier sieht Frau Lemaitre ein großes Potenzial der Taxonomie und für die Immobilienwirtschaft.
Die Veranstaltung machte deutlich, dass ein gemeinsamer Austausch und die Bereitschaft, in dieselbe Richtung zu gehen, von großer Bedeutung sind. Unternehmen müssen gemeinsam Standards entwickeln und sich darüber austauschen, wie der Maßstab für die Umsetzung von ESG-Initiativen inkl. Anwendung der Taxonomie für Immobilienunternehmen
aussehen soll. Fortschritt entsteht – so das Fazit der Veranstalter - durch das Sammeln von Erfahrungen und das Lernen aus der praktischen Umsetzung von ESG-Maßnahmen. Umso wichtiger ist es, jetzt zu handeln, um dem Klimawandel zukunftsfähig zu begegnen.
-----------------------------------------------------------------
Die GSF unterstützt Immobilienunternehmen und -eigentümer mit verschiedenen Analysen beim Klimaschutz und -wandel:
TaxonomieCheck Neubau (NaWoh),
PotenzialCheck Gebäudesanierung (GSF Immo),
FördermittelCheck Investitionen,
KlimarisikoCheck und mit
Strategie-Workshops
Wir lotsen Sie zu Ihrem Ziel. Kommen Sie gern auf uns zu: lotsen@gsf-hamburg.de
Kommentare