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Inflation, Zinswende und ein Eurosystem unter der Führung der Europäischen Zentralbank (EZB)

Aktualisiert: 15. Sept. 2022


Inflation, Zinswende und ein Eurosystem, dass unter Führung der Europäischen Zentralbank (EZB) zu spät und weil mit fachlichem Unwissen der EZB-Präsidentin reagiert!


von Prof. Dr. Markus Knüfermann



Der EZB-Rat hat am 21. Juli 2022 entschieden, am 27. Juli 2022 alle drei zentralen geldpolitischen Leitzinssätze um jeweils 50 Basispunkte anzuheben (siehe zur Quelle die URL: https://www.ecb.europa.eu/press/pr/date/2022/html/ecb.mp220721~53e5bdd317.de.html; Abruf der WWW-Seite am 23. Juli 2022). Im Ergebnis wird keiner der Zinssätze mehr negativ sein. Damit reagierte der EZB-Rat auf Inflationsraten der Verbraucherpreise, die im Jahr 2022 von ursprünglich bereits zu hohen 5,0 % auf 8,6 % im Juni 2022 angestiegen waren (siehe zur Quelle die URL: https://www.bundesbank.de/dynamic/action/de/statistiken/zeitreihen-datenbanken/zeitreihen-datenbank/723452/723452?treeAnchor=KONJUNKTUR&listId=www_s3wa_inet_hicp&statisticType=BBK_ITS&tsId=BBXP1.M.U2.N.HICP.000000.IND.I00&dateSelect=2022; Abruf der WWW-Seite am 23. Juli 2022). In diesem Zusammenhang verstieß das Eurosystem gleich zweimal gegen die Grundlehren der Geldpolitik:


1. Wirtschaftssubjekte dürfen nicht überrascht werden, weil Überraschungsoptionen Unsicherheiten manifestieren und Unsicherheiten mit Risikoprämien kompensiert werden, die unnötiger Weise das Investitionsengagement des privaten Sektors hemmen. Nach der Juni 2022-Sitzung des EZB-Rats verkündete die EZB per Pressemitteilung aber: „(I)m Einklang mit der zeitlichen Abfolge der geldpolitischen Maßnahmen des EZB-Rats, beabsichtigt der EZB-Rat, die Leitzinsen der EZB auf seiner geldpolitischen Sitzung im Juli um 25 Basispunkte zu erhöhen.“ (Siehe zur Quelle die URL: https://www.ecb.europa.eu/press/pr/date/2022/html/ecb.mp220609~122666c272.de.html; Abruf der WWW-Seite am 23. Juli 2022.) Im Juli wurde jedoch die Erhöhung um 50 Basispunkte beschlossen.


2. Geldpolitische Entscheidungen dürfen sich nicht widersprechen. Die Erhöhung der Leitzinsen sind jedoch gleichzeitig kommuniziert worden mit der Auflage eines weiteren Anleihekaufprogramms zur Kompensation von Renditeanstiegen bei Staatsanleihen (siehe den oben zitierten Beschluss vom 21. Juli 2022). Mit anderen Worten ist die Rückführung der expansiven Geldpolitik durch die Leitzinssatzerhöhungen direkt kompensiert worden durch den Beschluss für eine neue expansive Geldpolitik.


Es stellt sich an dieser Stelle die Frage, ob beide Grundlehrenverstöße fahrlässig durch das EZB-Direktorium forciert oder aus Unwissen der Entscheidungsträger/-innen entschieden wurden. Damit frage ich nicht, ob z. B. die Präsidentin der EZB als Juristin ohne geldtheoretische Ausbildung und ohne geldpolitische Praxiserfahrung überhaupt fachlich geeignet ist, das Spitzeninstitut des Eurosystems zu leiten. Auch frage ich nicht danach, ob die EZB-Präsidentin überhaupt integer für ein solches Amt ist. Denn zu einer derartigen Frage recherchieren glücklicherweise Journalisten. So berichtete z. B. „Der Spiegel“ im Jahr 2016 über die gerichtliche Verurteilung der heutigen EZB-Präsidentin ohne Strafmaß, weil das französische Gericht Legardes „Persönlichkeit“ vor einem möglichen Strafmaß stellte.


Festzuhalten ist, dass dem Eurosystem als Primäraufgabe die Gewährleistung der Geldwertstabilität obliegt. Trotz massiver Inflation reagierte es das Eurosystem seit Mitte 2021 nicht im Sinn ihres Auftrags. Im Juli 2022 reagierte es gegen die eigene Ankündigung zinstechnisch stärker und zugleich durch ein neues Anleihekaufprogramm konterkarierend. Daher stellt sich die klare Frage nach der Vertrauensbasis im Eurosystem.


„Bundesbankpräsident Joachim Nagel hat davor gewarnt, mit geldpolitischen Instrumenten Risikoprämien begrenzen zu wollen. ‚Denn es ist in Echtzeit so gut wie unmöglich, sicher festzustellen, ob eine Spread-Ausweitung fundamental gerechtfertigt ist‘, sagte er anlässlich des Frankfurt Euro Finance Summit. Dass mit der angekündigten Zinswende die Risikozuschläge auf Anleihen hochverschuldeter Mitgliedstaaten gestiegen seien, sei ja durchaus plausibel, so Nagel. ‚Allenfalls in Ausnahmesituationen und unter eng gesteckten Voraussetzungen lassen sich ungewöhnliche geldpolitische Maßnahmen gegen Fragmentierung rechtfertigen.‘“ (siehe zur Quelle die URL: https://www.bundesbank.de/de/aufgaben/themen/nagel-ungewoehnliche-geldpolitische-massnahmen-allenfalls-in-ausnahmesituationen--894032; Abruf der WWW-Seite am 23. Juli 2022).


Aber die Geldpolitik unter der EZB-Führung agiert anders, unzuverlässig und fahrlässig. Ich möchte jetzt gar nicht Haushalte, die nur über geringe Einkommen verfügen, anführen und vorschlagen, EZB-Direktorium möge diesen Familien erklären, dass Ihnen dieses Jahr gegenüber dem Vorjahr 8 Euro von ursprünglich gesparten 100 Euro einfach fehlen. Lieber bleibe ich in der Logik der VWL. Die derzeitigen Inflationsraten der Verbraucherpreise waren absehbar. Und auch die beschwichtigte Scheinargumentation, es handele sich um eine Angebotsinflation und damit wäre das Eurosystem vollends schuldfrei, ist demagogischen Charakters. Wenn es so wäre, dass wir zwischen Angebots- und Nachfrageinflation unterscheiden müssten, wäre es in der Tat schwer für Zentralbanken, Einfluss auf eine angebotsinduzierte Inflation zu nehmen, weil Zentralbanken keine zusätzliche Energie und keine Nahrungsmittel liefern. Dieser Gedanke greift aber zu kurz.


Die gemessene Inflationsrate berücksichtigt ausschließlich die Verbraucherkosten. Um den dabei zu Grunde gelegten Warenkorb zu konsumieren, bedarf es Geld. Und dieses Geld bzw. die volkswirtschaftliche Geldmenge wird ausschließlich bei privaten Wirtschaftssubjekten gezählt. Wenn also Energie- und Nahrungsmittelpreise auf Grund von Knappheitseffekten sich verteuerten, müssten andere Preise sinken, weil die privaten Haushalte genauso viel Geld zur Verfügung hatten wie zuvor. Wenn es aber nicht geschieht, wenn also keine Preise sinken, stattdessen einige Preise steigen, muss die Geldmenge zuvor massiv ausgeweitet worden sein. Milton Friedman (1992) sagte deshalb: Inflation sei immer und überall ein monetäres Phänomen. Und daher ist sie durch Zentralbanken steuerbar. Allerdings verursacht eine Zentralbank leichter die Inflation selbst, als dass sie diese bekämpfen kann. Schließlich entsteht die primäre Geldschöpfung bei den Geschäftsbanken durch deren Kreditgeschäfte.


Inwieweit sich das Marktzinsniveau verändern wird, ist in der langen Frist eigentlich klar: Bleibt die Inflation bestehen, wird es ansteigen. Kurzfristig hat sich das Marktzinsniveau dennoch etwas erholt. Der Grund ist die enorme Liquidität und hohe Geldmenge, die keinen stringenten Zinsanstieg zu lassen. Es war auch am 21. Juli 2022 zu erkennen: Nach den Zinsentscheiden des EZB-Rats stieg der Euro-Kurs massiv an, um zwei Stunden später niedriger sei sein als vor den Zinsentscheiden. Genauso war es mit der Kursentwicklung der Bundeswertpapiere: Kurseinbruch und danach, vor allem einen Tag später wieder Kurssteigerungen. Es ist einfach zu viel kaputtgemacht worden durch die europäische Geldpolitik, als dass wir schon wieder rationale Marktentwicklungen vernehmen könnten.


Festzuhalten bleibt, das die zinspolitische Wende eingetreten ist – und zwar nachdem die marktmäßige Zinswende eintraf. DIE Immobilienanalyse Nr. 21 der EBZ Business School hat genau diese Entwicklung vorausgesagt. Es handelte sich dabei nämlich nicht um Glaskugelschauen, sondern um ein Verständnis für die volkswirtschaftliche Logiken.


Weitere Informationen und Publikation über das Thema können Sie im folgenden Link entnehmen:



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